1) Email vom 20.04.2009:
Liebe Camp(f)er,
really, it happens!
Ich begrüße es, dass die Studierenden sich in ihre eigenen
Angelegenheiten einmischen:
- ihr Studium an einer Universität, die aufgrund nicht ausreichender
Finanzierungsmittel für Personalstellen eher einen Mangel verwalten muss
als allen Studierenden tatsächliche Bildungschancen anzubieten,
- in "neuen" Studiengängen, die aufgrund durch eine miserable Umsetzung
der Studienreform (BA-MA-isierung) nur unzufriedenstellend bewältigt
werden können,
- in überfüllten Lehrveranstaltungen, weil für die Studierenden zu wenig
Dozierende verfügbar sind,
- in der Studieren eher als eine Belastung statt Befreiung wahrgenommen
wird,
- in der als planwirtschaftliche "Lernfabrik" die Inhalte eher an
Wirtschaft und Markt statt an Aufklärung, Mündigkeit und gelebter
Solidarität orientieren,
- in der es an selbstbestimmten Bildungsräumen mangelt, die Studierenden
vielfältige Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten und die
Persönlichkeit und Professionalität stärken.
Es mangelt an qualifiziertem Lehrpersonal und dadurch an
Lehrveranstaltungen sowie einem angemessenen Betreuungsverhältnis
zwischen Dozierenden und Studierenden.
Es mangelt an Freiheiten, seine Persönlichkeit frei zu entfalten.
Es mangelt an Möglichkeiten, sich aktiv einzubringen.
Es mangelt an Bildungsräumen, in denen selbstbestimmt gelernt und die
gemeinsam gestaltet werden.
Es mangelt an der politischen Einsicht in die Bedeutung einer
Bildungspolitik, die Lebenschancen für alle bietet und auf Exklusion
verzichtet.
Die Besetzung von Räumen im Neuen Seminargebäude der Universität Leipzig
kann verstanden werden als die Indienstnahme der Universität für die
kritische Auseinandersetzung mit Bildung in politischer wie
philosophischer Hinsicht.
Der gegenwärtige Protest an der Universität ist ein Vorzeichen unter
vielen anderen. Beim Bildungsstreik am 17.06.2009
(www.bildungsstreik2009.de) wollen Schüler/innen, Studierende und andere
soziale Gruppen ihren Protest und ihre bildungspolitischen Forderungen
bundesweit zum Ausdruck bringen.
Die nachwachsende Generation fordert ihre Bildungschancen ein. Sie
wollen politisch mitbestimmen.
Ich wünsche der Bewegung viel Erfolg, ihre Forderungen in Gremien und
Parlamenten zu tragen, wo Beschlüsse ausgehandelt und Entscheidungen
getroffen werden.
Mit solidarischen Grüßen
Veit Polowy
www.bildung-in-zukunft.de
www.demokratische-bildung.de
2) Email vom 21.04.2009:
Sinngemäß:
Der Fakultätsrat der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie erklärt einstimmig seine Sympathie und ein tiefes Verständnis für die aktuellen Proteste der Studierenden. Die Fakultät befindet sich im Prozess der Revision der Ba/Ma-Studiengänge und fordert die politischen EntscheidungsträgerInnen auf, - auch angesichts des anstehenden Jubiläums - auf weitere Stellenstreichungen zu verzichten.
3) Email vom 23.04.2009:
Liebe Protestierende,
Der Fachschaftsrat Grundschule/Förderschule/ Erziehungswissenschaften erklärt sich hiermit solidarisch mit der studentischen Initative der "Protesttage" an der Universität Leipzig. Wir sehen in der direkten Aktionsform der Besetzung von Universitätsgebäuden zur Schaffung selbstverwalteter Freiräume für Studierende keine Untergrabung oder eine Gefahr für die institutionalisierte Studierendenvertretung, sondern vielmehr eine Ergänzung bestehender Strukturen, wobei auf diesem Weg zahlreiche Synergie-Effekte entstehen, von denen beide Seiten profitieren können.
Neben dem Grundgedanken, nicht alles, was rechtens oder unrechtens die Studienbedingungen verschlechtert, zu schlucken begrüßen wir vor allem die Entwicklung, welche die Initiative auf ihrem Weg von einer zeitlich begrenzten Aktion hin zu einer mittel- bis langfristig angelegten Plattform für Diskussion und Veränderung im Begriff ist zu durchlaufen.
In diesem Sinne können wir nur jeder Person nahelegen, sich auf welcher Ebene auch immer an der Initiative zu beteiligen bzw. ihre Solidarität auf ähnliche Weise kundzutun.
Mit solidarischem Gruß
Jan
4) Email vom 27.04.2009:
(Original Anhang)
Solidaritätsbekundung der Juso-Hochschulgruppe Leipzig
Liebe Protestierende und MitstudentInnen,
hiermit wollen wir uns mit eurem Protest solidarisieren und euren Unmut über die
Studienbedingungen teilen.
Seit Beginn der Umstrukturierung des Studiums, bedingt durch den sogenannten "Bologna-
Prozess", kritisieren wir das Verfahren und die Umsetzung sowohl an der Uni Leipzig, als auch in
der Öffentlichkeit. Die ohnehin schlechten Studienbedingungen wurden durch undemokratische und
dilettantische Reformen massiv verschlechtert und stellenweise unzumutbar gemacht. Die Ziele, die
in Bologna gesetzt wurden, sind verfehlt worden, die internationalen Standards eine Farce und die
neuen Studiengänge der Wirtschaftlichkeit unterworfen worden. Dabei sind die AkteurInnen so
unterschiedlich wie vielfältig, aber vor allem unkoordiniert und abgekoppelt von dem eigentlichen
Ziel dieser Reformen: dem Studium. Daher ist es höchste Zeit, dass Studierende als direkte
Betroffenen in den Prozess eingreifen und sich Forderungen erarbeiten und diese versuchen
durchzusetzen.
Wir begrüßen eure Initiative, die den längst überfälligen Protest formuliert und beweist, dass
Studierende nicht alles mit sich machen lassen und sich unkritisch anpassen. Wir hoffen sehr, dass
die von euch gewählte Form des Protestes noch weitere Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird und
rufen alle Fachschaftsräte und StudierendenvertreterInnen dazu auf, ihre Solidarität zu bekunden
und vor allem dieser auch Taten folgen zu lassen.
Thomas Lahn
für die Juso-Hochschulgruppe Leipzig
5) Email vom 28.04.2009:
Liebe Protestierende,
wir, eine handvoll Leipziger StudentInnen gerade mit dem
Austauschprogramm an der Binghamton University, sind höchst erfreut über
die Ereignisse in Leipzig! In den vergangenen Monaten haben wir an der
staatlichen US-Universität SUNY Binghamton miterleben können, was es
heißt in einem rein ökonomisch determinierten Bildungssystem Wissen zu
konsumieren - das wohl einschneidenste Ereignis war die drastische
Erhöhung der Studiengebühren im Rahmen von Sparmaßnahmen des
Bundesstaates New York, der die dadurch erzielten Mehreinnahmen zu 90%
für eigene Belange verwenden wird. Diese Entscheidung hat extreme Folgen:
in einer Region, die die höchste Arbeitslosenquote (9% im Februar 2009)
im Staat New York hat, und Jobs somit ohnehin schon knapp sind, werden
die Studierenden nun auch noch mit einer Studiengebührerhöhung von
$300-1200 für das aktuelle Frühlingssemester belastet. Dieser Beschluss
wurde im November 2008 bekannt gegeben, also einen Monat vor Ende des
Herbstsemesters.
Hinzu kam eine Änderung der Einschreiberegeln für Graduate-Students, die
sie dazu verpflichtet, entgegen der bisherigen Praxis mit einem
"symbolischen" Credit weiterhin als Student geführt zu werden (meist
während dem Schreiben der Dissertation), nun mit mindestens 9 Credits
einzuschreiben - das bedeutet für viele zusätzliche Kosten von
$3000-4000 pro Semester. Diese Änderung wurde im Januar bekannt, während
der Einschreibung für das aktuelle Semester!
Abgesehen von diesen Neuerungen stehen vor allem Graduate-Students
ohnehin schon unter extremen Druck und müssen innerhalb ihrer Institute
jedes Semester um die Verlängerung ihres Fundings kämpfen (so z.B. durch
externe Evaluierung bereits im ersten Semester). Die gleichen
Graduate-Students, die andererseits den gesamten Lehrbetrieb durch ihre
Arbeit als Teaching Assistants (TAs), Tutoren, aufrecht erhalten und
somit, neben dem Arbeitspensum der von ihnen besuchten Seminaren, auch
noch ständige Papers, Tests etc. ihrer TA-Schüler auswerten müssen.
Die hier kurz geschilderte Realität unserer US-amerikanischen
KommilitonenInnen, zu wissen welche Lasten die Studierenden in den USA
(er-)tragen, stimmen uns sehr nachdenklich und bestärkt uns in der Kritik
am BA/MA System, sowie der zunehmenden Ökonomisierung des gesamten
Bildungssektors.
Deshalb wollen wir Euch unsere volle Unterstützung zusichern!
Bildung ist keine Ware! Die Institution Universität ist kein
wirtschaftlicher Betrieb und kann deshalb auch nicht wie ein solcher
geführt werden!
Der Diskurs um die Gestaltung und die derzeitigen Verhältnisse an
deutschen Universitäten muss intensiviert werden! Ihr leistet dazu einen
wichtigen Beitrag!
Solidarische Grüße aus Binghamton, New York, USA
Mohamed Boukayeo, André Lahmann, Maria Schyjka
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